Schielen

Als Schielen (“Strabismus”) bezeichnet man jede beständige oder nur hin und wieder auftretende Fehlstellung der Augen. Dabei stehen die Augen nicht parallel, sondern ein Auge weicht von der Blickrichtung des anderen ab. Rund 6 % unserer Bevölkerung leiden unter irgend einer Form von Schielen. Belastend wirkt dabei vorallem die oft entstellende, äußerlich sichtbare Abweichung der Augen. Schielen ist aber nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern oft auch mit einer schweren Sehbehinderung verbunden. Je früher das Schielen im Leben des Kindes auftritt und je später es vom Augenarzt behandelt werden kann, desto schwerer wird die Sehbehinderung. Mit Beginn des Schulalters sinken die Erfolgschancen der Behandlung erheblich. Schielende Babys und Kleinkinder bedürfen deshalb einer möglichst frühzeitigen Behandlung.

Die Entwicklung der Sehschärfe

Säuglinge nehmen schon kurz nach der Geburt ihre Umwelt wahr, wenn auch anfänglich nur sehr verschwommen. In den ersten sechs Lebensmonaten lernen sie mit ihren Augen fixieren und die Bewegungen zu koordinieren. Während dieser Zeit des Übens sind gelegentliche Fehlstellungen der Augen noch normal (sog. „Bébéschielen“). Wenn jedoch nach dem 6. Lebensmonat immer noch ein Auge ständig von der Blickrichtung des anderen abweicht, sollte ein Augenarzt aufgesucht werden. Das Schielen kann bereits im Säuglingsalter diagnostiziert und – falls nötig – behandelt werden.

Bei Kleinkindern verbessert sich die Sehschärfe kontinuierlich im Laufe des Wachstums. Mit Schulbeginn ist sie meist voll ausgebildet. Die Beeinflussung einer durch Schielen bedingten Sehschwäche ist nur während dieser Phase der Entwicklung des Sehens möglich. Bereits ab dem 7.-8. Lebensjahr sinken die Chancen auf eine Normalisierung der Sehschärfe beträchtlich, nach dem 10. Lebensjahr sinken sie praktisch auf Null.

Wie entsteht Schielen ?

Schielen hat viele Ursachen. Die Tatsache, daß Schielen in manchen Familien gehäuft auftritt, läßt darauf schließen, daß zumindest die Veranlagung erblich sein kann. Vor allem wenn ein Elternteil schielt oder gegen Schielen behandelt wurde, sollte das Kind schon im ersten Lebensjahr dem Augenarzt vorgestellt werden. Häufig bleibt die Fehlstellung allerdings in der Familie ein Einzelfall, von dem Jungen wie Mädchen gleichermaßen betroffen sein können. Auch eine Erkrankung der werdenden Mutter an Röteln oder eine Frühgeburt kann für ein späteres Schielen verantwortlich sein. In vielen Fällen sind die Ursachen am Auge selbst zu suchen, z.B. bei angeborenen Brechungsfehlern (wie Weitsichtigkeit oder starke Hornhautverkrümmung) oder selten bei einseitigen Linsentrübungen, Tumoren im Augeninnern oder nach Augenverletzungen.

Auch bei angeborenen Ursachen muß die Schielstellung nicht gleich nach der Geburt sichtbar sein. Bei angeborenen Brechungsfehlern tritt das Schielen erst auf, wenn das Kind genauer zu fixieren beginnt. Dabei benutzt das Kind oft ausschließlich das funktionell bessere Auge, wodurch das stärker fehlsichtige Auge eine Sehschwäche (Amblyopie) entwickelt, wenn es nicht durch zusätzliche augenärztliche Maßnahmen “trainiert” wird. Manchmal tritt eine “erworbene” Fehlstellung auch plötzlich auf, z.B. nach Kinderkrankheiten, nach hohem Fieber, nach Unfällen oder aber in schweren seelischen Krisen.

Wie wird Schielen behandelt ?

Das erste Ziel der Schielbehandlung ist, auf beiden Augen eine gute Sehschärfe zu erreichen, solange dies vom Alter des Kindes her noch möglich ist. Denn wer weiss, ob nicht im Laufe des Lebens ein Auge durch Unfall oder Krankheit bleibend geschädigt wird. Erst später wird ein kosmetisch störender Schielwinkel durch eine Operation beseitigt.

1) Brille
Da ein Schielen bei mehr als der Hälfte der Kinder durch eine bisher nicht korrigierte Fehlsichtigkeit verursacht wird, misst der Augenarzt als erstes mit Hilfe von Tropfen die Stärke des Sehfehlers aus. In der Regel leiden Schielkinder an einer stärker ausgeprägten Weitsichtigkeit. Weil die Brille ein ruhiges, entspanntes Sehen ermöglicht, verringert sich der Schielwinkel durch das Tragen derselben in den meisten Fällen etwas oder verschwindet sogar völlig.

2) Abdecken („Okkludieren“)
Das Abdecken des nicht schielenden Auges dient der Beseitigung der Amblyopie am schielenden Auge; manchmal wird dabei gleichzeitig die Augenmuskeltätigkeit normalisiert. Die Schielstellung wird dadurch jedoch nicht korrigiert; gelegentlich nimmt der Schielwinkel des abgedeckten Auges sogar etwas zu. Nach Anweisung des Augenarztes werden Klebepflaster in einem bestimmten Wechselrhythmus auf das nicht schielende bzw. schielende Auge geklebt. Der Pflasterverschluss des nicht schielenden Auges soll ein Trainieren des schielenden Auges bewirken; durch den Pflasterwechsel soll die gute Sehschärfe des gesunden Auges erhalten bleiben. Das Kind ist so gezwungen, das überwiegend schielende Auge zu benutzen und dieses so “trainieren”.

Die Normalisierung der Sehschärfe am schwachsichtigen Auge kann mit der Okklusionstherapie fast immer erreicht werden; vorausgesetzt, dass diese rechtzeitig und konsequent durchgeführt wird.

Im Verlaufe der Therapie wird das Klebepflaster durch eine auf das Brillenglas geklebte Folie ersetzt. Das gesunde Auge wird dadurch gegenüber dem schielenden in seiner Sehschärfe benachteiligt. Das schwachsichtige Auge wird dadurch zu einem steten Üben gezwungen und so mit der Zeit gesund. Die Amblyopiebehandlung mit dieser Folie muß meist über Jahre bis ins Wachstumsalter hinein zusätzlich zur Brille und auch nach erfolgreicher Operation fortgesetzt werden.

3) Schieloperation
Bei der Hälfte der Schielkinder muß die Fehlstellung durch eine Operation an den äußeren Augenmuskeln beseitigt werden. In der Regel wird diese erst dann durchgeführt, wenn das Kind die Brille verläßlich trägt, mit beiden Augen annähernd gleich gut sieht und sich ausreichend untersuchen läßt. Die Schieloperation verkleinert lediglich den Schielwinkel, sie beseitigt jedoch nicht die Sehschwäche und macht auch das Tragen der Brille nicht überflüssig, da Sehfehler nur durch eine Brillenkorrektur ausgeglichen werden können. Schieloperationen sind ausgesprochen risikoarm und haben gute Erfolgsaussichten. Sie werden vom Augenarzt bei Kindern in Allgemeinnarkose ausgeführt, d.h. nach der Beruhigungsspritze und der Narkoseeinleitung spürt das Kind von dem Eingriff nichts mehr. Das operierte Auge reagiert natürlich, jedoch in erträglichem Masse nach dem Aufwachen für etwa 48 Stunden – vor allem bei Augenbewegungen. Bei der Operation wird das Auge weder herausgenommen noch aufgeschnitten. Der Augenarzt eröffnet lediglich die leicht heilende Bindehaut, um die Augenmuskeln zu regulieren. Von der Art der Fehlstellung hängt es ab, ob ein einmaliger Eingriff genügt oder ob eine zweite Operation notwendig wird.

Zusammenarbeit der Eltern und des Augenarztes

Mit Ausnahme der Operation ist der Augenarzt bei allen anderen Therapiemassnahmen nur erfolgreich, wenn die Eltern zuverlässig mitwirken. Der Augenarzt muss sich darauf verlassen können, dass die verordnete Brille ausnahmslos und ununterbrochen vom Kind getragen wird, dass bei der Okklusionsbehandlung Haut- oder Brillenpflaster nicht länger als vorgeschrieben auf dem Auge bleiben, jedoch ebenfalls nicht «nur mal zwischendurch» oder vorzeitig abgenommen werden, dass Augentropfen und -salbe genau nach Plan gegeben werden und dass kein Termin – sei es zur Untersuchung oder zur Schulung – ausgelassen wird.

Die Behandlung einer Amblyopie kann sich bis zum 12. Lebensjahr und manchmal darüberhinaus erstrecken, weil Rückfälle noch bis ins Wachstumsalter hinein möglich sind. Ihr Augenarzt weiss, dass Sie und Ihr Kind viel Geduld aufbringen müssen. Er wird Sie in jeder Weise unterstützen: medizinisch, psychologisch und durch eingehende Informationsgespräche.
Bei der Schieluntersuchung kommt die Orthoptik als Spezialgebiet der Augenheilkunde zum Zuge, sie lässt sich mit „Geradesehen“ übersetzen. Die Orthoptistin untersucht die Funktion der Augen, Art und Grösse des Schielens sowie die Zusammenarbeit der Augen. Säuglinge und Kleinkinder sind die häufigsten Patienten der Orthoptisten. Dabei geht es um Früherkennung, Untersuchung und Behandlung von:

  • Sehschwächen (Amblyopie)
  • Störungen des ein- und beidäugigen Sehens
  • Schielerkrankungen (Strabismus)
  • Augenbewegungsstörungen
  • Augenzittern (Nystagmus)

Orthoptik – wer braucht das?

  • Frühgeborene
  • Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Schielerkrankungen
  • Kinder mit Lese-Rechtschreibe-Störung, ADHS, Wahrnehmungsstörungen
  • Kinder mit familiären, augenbezogenen Vorbelastungen
  • Patienten aller Altersgruppen mit neurologisch bedingten Sehbehinderungen
  • Patienten mit Sehstörungen durch angeborene oder erworbene Störungen des Zentralen Nervensystems.

Je früher eine Sehschwäche oder ein Schielen entdeckt wird, desto erfolgreicher ist auch die Therapie. Für die Untersuchungen werden Methoden eingesetzt, die keine aktive Mitarbeit der Patienten erfordern; deshalb können sie auch bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern mit Entwicklungsverzögerung durchgeführt werden.

Alarmzeichen:

  • Auffälliges Schielen
  • Augenzittern
  • Schiefhaltung des Kopfes
  • Auffälliges Blinzeln und Lichtempfindlichkeit
  • Vorbeigreifen, Störungen der Grob- und Feinmotorik
  • Doppelbilder, Zukneifen der Augen
  • Leseunlust oder Lesestörungen
  • Augenbrennen, gerötete Augen
  • Augenerkrankungen in der Familie wie Schielen oder Schwachsichtigkeit
  • Unterschiedlich grosse Pupillen
  • Weisse oder getrübte Pupillen

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